🇪🇸 – Der Atlantik – von Gibraltar nach Lanzarote

Nach zwei Nächten verließen wir am 11.9.23 gegen 8:30 Uhr die Marina in La Linea. Diese Stadt ist die direkt an das Hoheitsgebiet von Gibraltar angrenzende Nachbarschaft, die Grenzstadt. Da der Diesel an der Tankstelle in Gibraltar nur 1,15 Cents/Liter kostet, legten wir im Vorbeifahren dort nochmals an und füllten den Tank bis zum Rand.
Und dann ging es los. Bei mir muss ich ehrlich zugeben mit etwas flauem Gefühl im Bauch, da die kommende Passage durch die zahlreich stattgefunden Orca Zwischenfällen des Sommers in mein Hirn eingebrannt waren.
Unter beiden Motoren (die Strömung ostwärts ist immerhin 2kn) liefen wir an der „spanischen Straßenseite“ entlang. Die Gibraltar Enge wird durch ein Verkehrstrennungsschema geregelt. Wie auf der Autobahn muss der Schwerverkehr Richtung Westen im nördlichen Teil, der nach Osten im südlichen Teil die Enge passieren. Kleine Boote wie wir schleichen neben der Autobahn entweder an der spanischen oder marokkanischen Küste entlang. Dort lauert weniger Strömung und auch weniger Gefahr durch die Ozeanriesen. In der Mitte der Enge befindet sich eine Kreuzung/Umkehrzone von drei mal drei Seemeilen. Diese durchkreuzten wir zur marokkanischen Küste.
Zwar bilden sich immer wieder mächtige Strudel und die Meeresoberfläche verändert sich dann von ganz glatt nach ein paar Metern urplötzlich zu wellig und rau, aber auch die intensivste Beobachtung des Wassers zeigte zum Glück weit und breit keine Orcas.
Nach zwei Stunden war die Kreuzungszone durchquert und wir erreichten die Südküste. Unter Motoren dampften wir weiter an Tanger vorbei gegen Westen.

Gegen 18:00 Uhr postete ich schließlich in die Telegram Orca Gruppe, die ich ja seit einem halben Jahr verfolgt habe, daß wir eine problemlose Passage hatten, auch für andere Segler eine beruhigende Nachricht. ich bedankte mich und kaum um NW-Ecke von Afrika herum verschwand die spanische Internetverbindung. Handys legten wir somit beiseite und setzten den Kurs zum ersten Wegpunkt ab, hissten Segel und genossen dann das erste Atlantik Dinner mit Spaghetti. Der kulinarische Genuss sollte sich von den Basics der Schiffsküche rasch steigern.
Die Nachtfahrt verlief ruhig bei wenig Wind und sehr gemütlich.
Der zweite Tag war dann ein erster Übungstag für unsere Tagesroutinen, die wir eingeteilt hatten. Einer von uns Drei hatte je vier Stunden „Wache“. Das bedeutet für sie/ihn:
– Kontrolle des umgebenden Schiffsverkehrs
– des Windes,
– der Windstärke,
– der Segelstellung,
– des Kompasskurses des Autopiloten und
– der allgemeinen Sicherheit aller an Bord.
Die beide anderen Crewmitglieder haben sogenannte Freiwache. Sie können schlafen gehen, lesen, sonnen, müssen aber für Manöver, wie z.B. Segelwechsel, zur Verfügung stehen.
So lief also unser „Radl“ rund um die Uhr. Andrea wachte bis Mitternacht, dann übernahm ich und gegen vier Uhr weckte ich Meiki zu seiner early morning shift, auch „die Hundswache“ genannt.
Andrea wurde von Meiki um 08:00 Uhr geweckt, und ich vormittags. So haben wir reihum eine Person, die vier Stunden Hauptwache macht.

3.Tag: Der Sonnenaufgang hier westlich der marokkanischen Küste ist derzeit gegen 8:30 Uhr, also relativ spät. Durch das in der Nacht vorbeiziehende Tief zogen noch Restwolken über uns hinweg. Um 10:00 Uhr tauschten wir dann die Nachtsegel Garderobe zum Spinnaker aus und es ging gemütlich dahin. Jeder sucht sich sein Platzerl zum lesen, schlafen oder chillen, das Boot pflügt dahin und die Wachstruktur bleibt auch unter Tags immer aufrecht.
Um seine Position und Durchschnittsgeschwindigkeit zu wissen, rechnen Segler ganz einfach die Strecke, die sie in 24 Stunden gesegelt sind . Dies wird das „Etmal“ genannt. Bei uns lag sie diesmal bei 131sm. (242,5 km). Kein Rekordwert, aber bei defensiver Fahrweise in der Nacht ein passabler Wert. Ist ein Boot schneller, erhöht sich dieser Wert. Nur zum Vergleich mit Profis sei erzählt, dass heuer während er Weltumrundungsregatta „Vendee Globe“ Boris Hermann einen neuen Etmal-Weltrekord mit 680sm (das ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 50kmh). Das ist wie Formel 1 gegen Fiat Panda.
Ganz kurz kamen nachmittags zwei neugierige Beluga Wale auf uns zu, blieben aber auf Distanz und verschwanden sehr schnell wieder ins tiefe Blau. Sonst verlief alles nach Routine. Die dritte Nacht segeln wir mit Großsegel und Fock, wechseln Wachdienst und im Nu sitze ich um 10:30 Uhr bei meinem Frühstück am 4. Tag.

Atlantik

„KBV“ beschreibt in meinem Logbuch am besten den 4.Tag. Keine besonderen Vorkommnisse. Segeln nach Süden, heute will kein Fisch anbeißen. Abends gibt es Tapas mit einer Flasche „Primitivo“ Rotwein.
Gegen Mitternacht zeigt Andrea mir am Radar ein Schiff, dass uns mit 40 km/h genau auf Kollisionskurs entgegen kommt. Um uns bemerkbar zu machen setzten wir in diesem Fall unser sehr helles Deckslicht ein, das über dem Vordeck hoch am Mast hängt. Es leuchtet in die weissen Segel und andere Schiffe können dich besser sehen. Ich hoffe auch immer, dass sie meinen Wegerecht anerkennen. Als segelndes Fahrzeug bist du nämlich allen Motorfahrzeugen im Vorrang. Darauf ankommen lassen sollte man es aber gegen ein 300 Meter langes Stahlkoloss nicht.So schaltete ich das Deckslicht 5 Mal aus-an-aus und wartete. Und siehe da, auf dem Bildschirm änderte sich der Kurs des Kreuzfahrtschiffes. Es passierte uns nach weniger als zehn Minuten an Backbord. Für meinen Geschmack und mein Sicherheitsempfinden viel zu nahe. Aber diese spezielle Spezies von Schiffen hat ihre eigenen Gesetze. Diesem Thema werde ich sicher noch später Mal ein paar Zeilen widmen.

4.Tag: Ich erwache, weil die Motordrehzahl auf Leerlauf steht. Krieche aus der Koje und finde den diensthabenden Meiki mit blutverschmierten Händen, einen Fuss auf dem Schwanz eines großen , sicherlich 6 kg schweren Thunfischs stehend. Der zuckt noch kräftig bevor er den letzten Todesstich in sein Fischherz bekommt. Sicher festbinden muss man ihn , weil sogar ohne Kopf lassen ihn die Reflexbögen seiner Nerven noch einige Zeit so kräftig zappeln, dass die Gefahr besteht, dass er über Bord geht. Das wäre schade. Thunfisch soll einige Zeit ausbluten, damit das Fleisch nicht bitter schmeckt. Nach ein paar Stunden filetiert Meiki das Tier. Die Überbleibsel wirft er ins Meer zurück. Kaum getan, bemerkt Andrea einen ausgewachsenen Grauhai in unserem Kielwasser. Länge ist schwer zu schätzen, aber wir einigten uns auf 4 Meter. Noch bevor ich meine Kamera herausholen kann, ist er wieder fort. „Wer da aller in der Nähe von Symi wohnt“ will ich gar nicht wissen. Nur das bisschen Blut und Fischteile bei voller Fahrt über Bord geworfen und bei einer Meerestiefe von 3000 Metern taucht aus dem Nichts ein Hai auf. Nach Sekunden.
Eine Kaffeepause, ein Schläfchen, etwas im Logbuch eintragen, der Tag vergeht ohne dass du genau weisst, der wievielte Tag auf See es ist oder welches Datum. Der Verlust des Zeitgefühls und die Loslösung von der täglichen Alltagssroutine findet auch schon auf einem fünf Tages Trip statt. Es geht ganz von selbst und unglaublich schnell. Kein Telefon, kein Internet und schon bist du abgekapselt von der hektischen Welt, gelenkt von der Natur, der Sonne und dem Wetter.

Frisches Sashimi mit Sojasauce und die herrlichen Thunfisch Steaks danach sind auch für mich als kritischen Fischkonsumenten ein Riesen Genuss.
Um 23:59 Uhr schließlich konnte sich unser Anker auf sandigem Grund in der Bucht von Punta de Tope eingraben. Motoren aus, kein heftiges Schaukeln mehr, kein Pfeifen des Windes, nur ruhiges Schaukeln ist zu spüren und du hörst die Brandung am nahen Strand. Beruhigend.
Zur Feier des Tages öffneten wir eine vorzügliche Flasche Rum und tranken auf unsere Reise.
Gute Nacht.

Unsere Marina